Die Nacht war feucht. Bei 30 % angekündigter Wahrscheinlichkeit regnete es durch. Nicht nur die Nacht, sondern auch das Zelt schien nicht wirklich wasserdicht zu sein. So begrüßten uns bereits erste Wassertropfen auf dem Innenzelt.

Hoffentlich regnet es bis Berlin nicht mehr. Bei den aktuellen Wetterbedingungen in Europa ist das gar nicht mal so unwahrscheinlich.Der Tag startete etwas zerknürschelt. Andreas hatte sich in der Nacht ordentlich ausgebreitet und mit dem Kopf auf Lars‘ Lenkertasche bequem gemacht. Der Wecker riss und also unsanft aus den Träumen und schickte uns hinaus in die kühle Bergluft. Das Klassikerfrühstück und schwarzer Kaffee gaben uns Kraft für den Tag. Zum ersten Mal die Langarmtrikots auf den Schultern, wurden wir natürlich per Handschlag vom Campingplatzbetreiber persönlich verabschiedet.

Abschied vom bisher besten Campingplatz der Tour

Bevor es los ging, steuerten wir erstmal den Supermarché an. Es ist Sonntag und nur wenige Läden haben überhaupt bis 12:30 Uhr geöffnet. Mittag und Abendessen müssen bereits jetzt gekauft werden, da bis zum Ziel keine Möglichkeit mehr besteht. Weil die gestern gekaufte Wassermelone nicht mehr in unsere vollen Bäuche passte, haben wir sie erst einmal in unserer Packtasche verstaut, was sich später noch auszahlen sollte. Wobei es eigentlich ziemlich bekloppt ist, eine Wassermelone auf einen Gebirgspass zu schleppen. Das Gepäck zieht heute also extra.Nach gemächlichen Kilometern auf schönen Straßen machten wir die Biege zum ersten und einzigen Pass des Tages, dem Col de Marie Blanque. Am Fuße stand gleich ein Schild, welches geteiltes Entsetzen auslöste.

Fluch oder Segen? Wissen, was kommt.

Die Passstraß ist offen

Es versprach, am Ende wieder steil zu werden. Die Passstraße begann ziemlich nett und ließ uns die ersten 5 km, immer entlang eines Gebirgsbaches, ganz entspannt kurbeln – bei bis zu 9 % Steigung. 4 km vor dem Gipfel entfernte sich die Straße langsam vom Flüsschen. Jetzt wurde es ernst. Die Neigung fiel selten unter 12%, in Spitzen erfreuten wir uns 18 %, ohne, dass es zwischendurch auch nur ansatzweise etwas flacher wurde. Angenehm war jedoch, dass die Sonne erst ab einer Höhe von 900m vom blauen Himmel brannte und wir uns vorher durch dichte Wolken immer höher schraubten.

Die steilen letzten 4km bis zum Gipfel

Andreas fuhr die 9,5km ohne Pause und erreichte den Pass 20 Minuten vor Lars, der zwischendurch zweimal anhalten musste, um zu trinken und durchzuatmen. Als wir beide am Passschild saßen und auf die unter uns liegenden Wolken blickten, verspürten wir einen enormen Appetit auf etwas frisches, saftiges, außen grünes und innen rotes. Welch, Glück, dass wir eine Wassermelone dabei hatten. Schnell halbiert und mit Löffeln bewaffnet, war bald nur noch die Schale übrig. Ein Genuss. Dazu gab es Baguette und Salami.

Oben!

Melone auf der Passhöhe. Wiederholungswürdig!

Wolkenverhangenes Tal. Sonne und blauer Himmel auf der Passhöhe.

Das Highlight des Tages war die Abfahrt. Grandiose Aussichten, die 2500 m aufragenden Gipfel umschlossen das Tal. Kühe, Pferde und Esel. Egal in welche Richtung man schaute, überall Ausschnitte wie in einem völlig übertriebenen Urlaubskatalog. Nur lag es wirklich vor uns. Ein Traum!

Malerische Abfahrt

Pferde, Kühe, Esel – Zäune gibt es hier nicht.

Blick hinunter nach Bielle.

Eine breite Straße erlaubte uns ohne viel Gebremse ins Tal hinabzuschießen, bei bis zu 60 km/h. Nach unglaublich intensiven 50 km empfing uns Laruns mit radfreundlichen Armen. Plakate, gelbe, rot-weiß gepunktete und grüne Räder am Straßenrand gaben bereits einen kleinen Einblick, welchen Stellenwert der Radsport hier am Fuße des Col d’Aubisque einnimmt. Auf diesen legendären Routen sind wir nun auch unterwegs. Ein leicht erhebendes Gefühl macht sich breit, dass uns die letzten Höhenmeter zum Campingplatz etwas leichter überwinden ließ.

Laurans – im Hintergrund der Col d’Aubisque.

Wie immer ging es in den Pool und später ko CV ihren wir auf dem Kinderspielplatz – der einzige Ort, an dem wir einen Tisch mit zwei Bönken finden konnten – ein leckeres Abendessen (Pasta Tricolore mit Chorizzo, Broccoli und Süßkartoffel in Sahnesoße). Morgen werden der Col d‘ Aubisque und der Col de Soulor, die ersten beiden echten Hochgebirgspässe (>1500 m) überwunden. Wir freuen uns auf eine wieder anspruchsvolle Etappe.