Die Nächte sind gerade etwas holperig. Normalerweise legt man sich abends auf seine bequeme Isomatte, kuschelt sich in Schlafsack und Kissen und schläft den Schlaf der Gerechten.

Das Ganze klappt aber nur unter zwei Bedingungen. Es muss still sein und man muss tagsüber die Müdigkeit vorbereitet haben. Letzte Nacht bin ich in einer Sauna eingeschlafen. Gegen nachts um 1 bin ich im eigenen Schweiß erwacht und hörte vom Nachbarcampingplatz lautstarke Karaokeperformances. Gegen 6:30 Uhr war ich dann auch schon wieder wach. Da ich eh nicht mehr einschlafen konnte und die Sonne wieder aufs Zelt schien, bin ich einfach aufgestanden, hab alles gepackt und weg war ich.

Gleich an der Hauptstraße gab es eine Touristenfalle mit allem Möglichen zu essen. Ich entschied mich für das Thunasandwich, die Rosinenschnecke, einen Espresso und 1,5 Liter Wasser. Da es so extrem heiß ist, sorge ich immer wassertechnisch vor. Wie ein Kamel, nur, dass ich dann nicht 2 Wochen ohne Wasser klarkomme.

Zur Route ist zu sagen, dass diese heute insgesamt viel schöner war als gestern. Die 95 km nahm ich bereits ab 8:30 Uhr in Angriff. Das war auch deshalb sinnvoll, weil morgens die Temperaturen erträglich sind. Da kann ich ordentlich Strecke machen.

Morgens fährt es sich einfach hervorragend.

Es ging immer entlang des wunderschönen Strandes.

Entlang des Strandes bis Saint-Pierre-la-Mer und vorbei an dem örtlichen Yachthafen ging es immer weiter Richtung Nordosten. Der Wind war heute mein Freund und wehte konstant aus West. Auf der Route des Vins fuhr es sich insgesamt sehr gut. Und hier war der Name Programm. Bis Kilometer 60 standen die Weinreben ununterbrochen, zum Teil von Kalkformationen eingeschlossen. Ich fuhr vorbei an Gutshäusern, die scheinbar immer noch von den Weingutbesitzern bewohnt werden. Überall luden mich Schilder zur Verkostung ein. Wäre ich hier eingekehrt, dann wäre die Tour beendet gewesen. Nächstes mal dann. In Sérignan befand sich eine riesige Sammelanlage für die örtliche Weinkooperative. Hier muss ein gewaltiger Teil des Weines gären, den die Franzosen sich häufig schon mittags hinter die Binde kippen. Es war um 10 und ich hatte schon 50 km in den Beinen. Es lief. Aber es sollte sich ändern.

Immer entlang der Weinreben mit mediterranem Flair.

Der Eingang zu einem Weingut.

Der Track verlief von Villeneuve-lès-Béziers (die Orte haben auch komische Namen hier) plötzlich weg von der D37. Es fuhr sich gerade so gut. Ich bog ab auf einen Weg, welcher parallel zum Canal du Midi verlief. Ein offensichtlich beliebter Braunwasserkanal für kleine Bootsrunden. Es ging auf und ab, große Steine lagen im Weg, es ging über Wurzeln und Vorsprünge. Eine geile Crossstrecke. Plötzlich stand ich vor einer gesperrten Straße. Die Umleitung suchte ich mir selbst. Es wurde auf dieser nicht besser. Zum Glück ging es nach 8 Kilometern zurück auf Asphalt. Vom Start morgens bis Adge zählte ich 4 Wasserparks und 3 große Funparks. Schöne Ecke.

Die angesprochene Sperrung.

Nette Straßenverhältnisse.

Da es noch nicht 11 Uhr war stoppte ich in Adge nicht und wollte noch eben bis Marseillan fahren. 12 km. Ist in einer halben Stunde erledigt. Da war er wieder, mein Lieblingskanal mit Schotterpiste. Diese ging allmählich in einen schmalen Streifen, später in Wiese und ganz am Ende in Bäume und nichts über. Es ging nicht weiter. Auf der anderen Seite sah ich zwei vollbepackte Radler. Ich brüllte einmal über den Kanal, um mich zu erkundigen, ob man da durch kommt. Der Daumen ging hoch. Also fuhr ich den Weg bis zur nächsten Brücke 4 km zurück, die Jungs auf der anderen Seite immer parallel und sich kaputt lachend über meine Fahrmanöver durchs Dickicht. Auf der anderen Seite angekommen, begrüßten mich die, wie sich im Gespräch herausstellte, Eidgenossen per extrem feuchten Handschlag. Es konnte auf deutsch bzw. in schweren schweizer Dialekt weitergehen. Jetzt eben den Dialekt vorstellen: „Natürlich kommt’s da lang. Überhaupt kein Problem. Alles easy.“ Nach weiterem netten Plausch nahm ich die zuvor erwähnten 12 km bis zur Pause in Angriff. Zum Teil ging es grenzwertig zwischen Schilf und Sumpf Richtung Zivilisation. Zwischendurch sah ich noch 2 Ornithologen mit je 1,5 Meter langen Objektiven. Die hatten sicher Spaß.

Hier war bei bestem Willen Schluss.

Auf der anderen Seite der „easy“-Weg.

In Marseillan gab es erstmal eine kalte Cola. Der letzte Abschnitt nach Sète war sehr schön. Ein Radweg schnurstracks geradeaus, immer am Strand entlang. Fast karibisches Flair. Hier fuhr ich einen 32er Schnitt und von hinten kam ein Rennradfahrer näher, aber er konnte mich nicht einholen. Später klappte es doch und er fuhr einen Moment neben mir und betrachtete mein Rad. Meine Antwort: „No Electro“. Wir brachen beide in Gelächter aus und ich schlug ihm noch zweimal zur Aufmunterung auf die Schulter.

Karibikflair auf dem Weg nach Sète.

In Sète kaufte ich gleich alles im Intermarche ein und genoss zum Mittag eine 5-er-Packung Wiener und eine Flasche Orangina. Herrlich. Die letzten 12 km bis zum Zeltplatz zeigte das Thermometer wieder 39 Grad. Angekommen wurde ich sehr freundlich begrüßt. Die Überraschung: Radfahrer wie ich bezahlen hier einen 10er die Nacht. Geht doch!

Jetzt heißt es wieder einmal Pool, chillen und chillen. Ich habe ein bisschen Elektrolytprobleme bei der Hitze. Was hilft, ist viel salziges zu konsumieren. Würstchen, abgehangene Würste, gesalzene Nüsse usw. Zusätzlich trinke ich Elektrolytpulver am Abend. Und es gibt Pasta mit ausgebratenem Speck, Paprika und Frischkäse.

Morgen geht es in die Camargue. Dort werde ich übermorgen eine Runde ohne Gepäck drehen. Dann ist auch Nationalfeiertag. Wenn es mir gefällt, baue ich noch einen Strandtag ein. Hab ich gerade einfach Bock drauf. Ist ja so etwas wie Urlaub.