Der letzte 2000er vor Berlin

Wird es etwa schon Herbst? Wir haben eine feuchte, kalte Nacht hinter uns. Bei jedem Wachwerden zog ich heute Nacht ein weiteres Kleidungsstück an. Am Morgen war das Zelt nass, wie nach einem heftigen Regenschauer.

Uwe weckte mich um 6:30 Uhr. Er war so aufgeregt, da wir gleich zu Beginn den letzten 2000er vor Berlin besteigen sollten. Nach dem Packen ging es zum Fleischer. Eine Salami und eine Yakwurst. Typisch für den Himala….ähmmm…die Schweizer Alpen. Beim Bäcker gab es ordentlich Gebäck für jeden. Und jeder einen Kaffee. Da dieser aus Afrika importiert wurde, kostete er je 4,30 Franken. Uwe bekam heißes Wasser für seine Flocken. Und das Ganze super freundlich und ohne ein Gesicht zu ziehen.

Ohnehin fällt uns in der Schweiz die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit auf. Uwe meinte, es sei häufig nicht echt gemeint. Ich finds angenehm. So gut wie jeder will einem helfen und man wird nicht einfach stehen gelassen. Für mich ein weiterer Unterschied zu Frankreich. Ausnahmen gibt es dabei auf der einen, wie auf der anderen Seite. Es geht um das Generelle.

Gleich hinter dem Bäcker begannen die Serpentinen, welche sich über 11 Kilometer und 680 Höhenmeter ziehen sollten. Alles machbar und die letzten beiden Kilometer sogar nur mit 4 % Steigung. Um kurz nach 10 standen wir bereits oben. Der Oberalppass liegt auf 2044 m. Die Landschaft war insgesamt wenig spektakulär. Oder wir waren bereits verwöhnt. Einige Skilifte waren wieder zu sehen. Hier oben befindet sich zudem die Quelle von Vater Rhein. Diesem folgten wir im weiteren Tagesverlauf. Jedoch nicht ganz.

Blick zurück über Andermatt und Furkapass.

Auf den letzten beiden Kilometern zum Pass.

Wir gingen um kurz nach 10 in die Abfahrt, welche sich bis Kilometer 58 hinziehen sollte. Zunächst steil auf den ersten 8, danach immer so zwischen 1 und 4 %. Wir konnten die dicke Kurbel einlegen und auf der Straße 19 richtig Strecke machen. Ich fuhr im Tunnelblick vorneweg. Wir machten kein einziges Foto oder hielten inne. Es war ruhig im Fahrerfeld. In Ilanz stand dann ein Schild, dass die Auffahrt nach Flims geöffnet wäre. Hatten wir so nicht auf dem Schirm, dass noch ein weiterer Pass folgen sollte. Es war hier um 12.

Der Anstieg war ekelhaft. Über 2 Kilometer waren es zu Beginn nie unter 10, in Spitzen bis 15 %. Es war zudem sehr schwül und das Thermometer zeigte 35 Grad. Auch einige Autofahrer schienen ihre Gehirne unten abgegeben zu haben. Was reitet die Leute, bei Gegenverkehr die volle Geschwindigkeit beizubehalten und in kurzem Abstand an uns vorbei zu fahren? Der Hammer war ein Transporter, der 10 Sekunden hinter mir fahren musste. Als der Gegenverkehr nicht abriss, fuhr er einfach und streifte meine hintere Tasche.

Kurz vor Flims hielten wir an einer Tankstelle. Wir tranken eine Rivella. Wir hatten so etwas wie Almdudler im Kopf und wurden geschmacklich schwer enttäuscht. Uwe erwähnte etwas von Mittelstrahl. Wir sollten hier bereits am Ziel sein, der Zeltplatz war gleich um die Ecke. Das wäre auch ok gewesen, jedoch soll es morgen wieder den ganzen Tag regnen. Wir beratschlagten, dass wir weiter den morgigen Track fahren, bis wir keine Lust mehr haben.

Pause an der Tanke.

Bis Chur folgte eine Abfahrt mit zwei Gegenanstiegen, die relativ weh taten. Wir fuhren dann bis an den Stadtrand und waren bei 89 Kilometern. Höchstgeschwindigkeit: 72 km/h! Da wir an einer Stelle nicht weiter wussten, sprachen wir einen älteren Herren an, der mit dem Mountainbike unterwegs war. Er sagte, wir könnten ihm folgen. Er zeigte uns einen sehr schönen Radweg entlang des Rheins. Er sagte in einem Nebensatz, wir hätten uns die Rampe nach Flims sparen können. Es gab einen viel schöneren, verkehrslosen Radweg entlang des Rheins. „Wenn man sich auskennt“.

Wir fragten, wie wir am schnellsten nach Liechtenstein kämen. Als er erwähnte, es seien noch 50 Kilometer, winkten wir ab. Der Plan, aus der teuren Schweiz zu fliehen, ging schief. Er zeigte uns noch kurz den weiteren Weg. Da fragte ich, ob da irgendwo eine Bank im Schatten, für eine Pause wäre. Da meinte er, wir könnten ja mit zu ihm auf ein Getränk. Cool. Bei Karl gab es auf der Terasse selbstgemachten, kalten Tee, Apfelsaft und für jeden von uns zwei Riegel. Wir besprachen das weitere Vorgehen und fragten nach Tipps. Letztendlich ließen wir uns den Weg nach Bad Ragaz erklären, wo ein toller Zeltplatz sein sollte.

Es folgte nicht der Abschied, sondern der Vorschlag von Karl, dass er uns den Weg aus Chur heraus zeigen könne. Na Logo! Also fuhren wir zu dritt. Unser Begleiter hatte noch mehr Lust und fuhr letztendlich 18 Kilometer bis kurz vor unserem Zielort vorneweg. Über Wege, die toll waren, die wir aber ohne ihn nicht gefunden hätten. Es ging immer entlang des Rheins. Dazu gab es unzählige Lektionen und Geschichten zur Heimatkunde, Geschichte und Geographie seiner Heimat. So fuhren wir am Tennisplatz vorbei, wo Roger Federer öfter trainiert. Am größten Betonwerk und an der regionalen Müllverbrennung ging es auch lang. Chur ist außerdem die älteste Stadt der Schweiz und im Sommer ein Hitzepol, wo immer Temperaturrekorde aufgestellt werden. Im Zielort Bad Ragaz waren auserdem bis vor kurzem der BVB und der VfL Wolfsburg im Trainingslager. Kurz vorm Ziel verabschiedeten wir uns. Danke, Karl!

Zusammen mit unserem Helfer.

Wir kamen in Bad Ragaz um 15:30 Uhr nach 115 Kilometern und 1200 Höhenmetern bergauf und 2150 Höhenmetern bergab an. Das Zelt brauchte 2 Stunden zum Trocknen. Es ging zum Einkauf und später zum Kochen. Kostenpunkt: 43 Franken die Nacht. Irre! Heute Nacht werden wir gut schlafen.

Morgen ist unser Ziel Feldkirch in Österreich. Dabei durchqueren wir auch Liechtenstein. Bitte drückt uns die Daumen, dass das Wetter einigermaßen radfahrtauglich ist!

Zum Quiz: ihr seid nicht in der Stimmung. Lassen wir das. Dann verpasst ihr aber auch die Lösung. Gute Nacht!

5 Kommentare

  1. Moin Jungs,
    also die arbeitende Bevölkerung hat nicht ganz soooo viel Zeit wie ihr für
    Quizfragen😉
    Unser Lösungsversuch: diese Bauweise dient als Sommer- und Wintereingang, bei evtl. Schneemassen im Winter spart man sich das Schneeschippen und kommt trotzdem schnell in die warme Wohnung und im Sommer hat man zusätzliche Lagerfläche🤔
    Oder so ähnlich???

    • Nein, leider nicht. Es geht aber auch um die Pilzform der Stützen. Der untere Teil dient als Stall, der obere als Stroh-/Heulager. Das als Hinweis.

      Arbeit?

      VG

  2. Carl Bächler

    10. August 2019 at 13:45

    Hallo Lars und Uwe. Der Lotsendienst für euch hat mir Spass bereitet Ich bewundere eure vollbrachten Leistungen und wünsche euch für den weiten, langen Weg nach Berlin angenehmes Radwetter und gute Beine. Mit Interesse werde ich eure „blog/news“ verfolgen. Liebe Grüsse, Carl aus Felsberg.

    • Hallo Carl mit „C“. Wir hatten diskutiert und ich habe mich durchgesetzt. „K“ passte mehr zur Schweiz. Aber egal.

      Wir freuen uns, dass du dich hier noch verewigt hast. Und scheinbar bist du auch gut wieder angekommen.

      Wir sind kurz vorm Bodensee. Die Welt ist klein. Vielleicht sieht man sich noch einmal.

      VG

      Uwe und Lars

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