Gestern war im Rückblick zu viel. Es geht um die Fahrlänge. Fast 5 Stunden reine Fahrzeit. Insgesamt waren wir 9 Stunden unterwegs. Dann ankommen, alles erledigen. Das braucht auch Zeit. Gestern wars dann hektisch. Und das nervte. Das muss sich ändern.

Beim Frühstück war richtig Stimmung.

Heute morgen waren wir entsprechend zerknürschelt, die Grundstimmung etwas gedämpft. Um es kurz zu machen: die Akkus sind ziemlich am unteren Anschlag. Wir frühstückten auf dem Camping.

Letzter Blick auf die Gletscherwelt des Montblanc.

Es sollten sofort 2 Cols und die Einfahrt in die Schweiz folgen. Dies gab ich Uwe erst kurz vor der Abfahrt durch. Endlich erhellte sich das Stimmungsbild, eine Freude, die seinesgleichen suchte. Um 8:50 war Startschuss. Da wir gestern vergaßen, für Uwe neuen Kraftbrei zu kaufen, ging es dann auch schnell in Argentière zum Supermarkt. Heute war Eile geboten. Ab 16 Uhr waren Gewitter angesagt.

Die Straße war eine Verbindungsstraße in die Schweiz. Entsprechend voll war es. Wir hatten zu Beginn einen Tunnel nur für uns. Dieser ist wahrscheinlich nur im Winter für den Autoverkehr geöffnet, wenn die normale Straße zugeschneit ist.

Unser Privattunnel gleich neben der Straße.

Um 10:20 standen wir auf dem Col des Montets, dem letzten in Frankreich. Nach einer relativ kurzen Abfahrt überquerten wir die Grenze zur Schweiz. Ein weiterer Meilenstein meiner Radreise. Nach insgesamt 40 Tagen durch den kompletten Süden Frankreichs, bin ich im dritten Land angekommen. Ich bin froh, etwas anderes zu sehen. Frankreich und ich, wir hatten ein schwieriges Verhältnis. Am Ende entwickelte sich alles zu einem Lagerkoller. Mittelfristig brauche ich keinen Urlaub mehr hier.

In der Schweiz begrüßte uns gleich der Anstieg zum Forcalez. Uwe meinte, ich solle bitte ohne ihn hoch fahren. Er fühlte sich unter Druck gesetzt, weil ich immer ein Stück vor gefahren bin und mich dann umdrehte und wieder Tempo herausnahm. Auf der anderen Seite war ich auch genervt davon, mich immer umdrehen zu müssen und zu warten. Wir haben uns das gesagt und ich bin vorneweg hoch. Oben angekommen, war alles wieder gut. Aussprache beendet! Wir hatten bereits 800 hm und 25 Kilometer weg. Es war 11:30 Uhr.

Die Abfahrt war sehr erfreulich. Eine breit ausgebaute Passstraße, auf der man die Geschwindigkeit richtig genießen konnte. Kurz vor der 70 km/h-Grenze musste ich hinter einem Sprinter leicht abbremsen. Auch die langgezogenen Kurven konnten wir mit 50 km/h nehmen. Der Blick ins breite Rhonetal war phänomenal. Dieses durchqueren wir die nächsten beiden Tage. Zuletzt sah ich die Rhone auf meiner Tour übrigens vor circa 2,5 Wochen, im fetten Gegenwind bei Avignon.

Unsere Abfahrt war schon des Öfteren im Tourprogramm. Nur anders herum.

Der etwas getrübte Blick ins breite Rhonetal.

In Martigny holten wir jeder 100 Franken von der Bank. Mal schauen wie lange die reichen. Wir bewegten uns jetzt immer ziemlich nah an der Rhone entlang, aber nie wirklich auf dem bekannten Radweg. Ein fast vergessenes Gefühl stellte sich ein. Die dicke Mühle wurde aufgelegt und ordentlich gekurbelt. Kette ganz rechts! Zwischen 25 und 31 km/h konnte ich vorne mit meinem erprobten Bergpuls und den Wattzahlen treten. Uwe immer gut hinten festgesaugt.

Weinberge überall.

Nach 55 km wurde unser Geheize vom Mittagessen unterbrochen. Wir hatten die Idee es tatsächlich bis Susten zu schaffen und einen ganzen Tag Vorsprung vor der Planung herauszufahren. Dann wären wir ziemlich genau bei 100 km. Und könnten eventuell morgen einen Tag Pause einbauen. Es soll nämlich den ganzen Tag durchregnen. Wenn der Weg so blieb, wären wir nach unseren Berechnungen gegen um 3 da. Um 4 war das Gewitter angesagt.

Wir fanden den Rhoneradweg und beschlossen, diesen zu nehmen und den geplanten Track zu verlassen. Es ging sehr schön zwischen Weinbergen, Obstanbaugebieten und kleinen Burgen immer Richtung Osten. Die richtige Richtung in jedem Fall. Wir fuhren bereits 3 Kilometer hinter einem Rennradfahrer und der Abstand wurde immer kürzer. Unsere schniefende Dampflok überholte ihn langsam und wir grüßten freundlich. Er blieb an uns dran.

Alles wieder bestens.

Plötzlich ging der Weg nicht weiter. Da sprach uns der nette, eben eingeholte Schweizer an, wo wir denn hin wollten. Er verstand es nach dreimaliger Wiederholung in immer unterschiedlicher Betonung am Ende doch. Er sagte, er wohne im folgenden Ort und er könne uns den Weg zeigen. Voll nett! Er führte uns in einem Affenzahn über Feldwege und durch seine Heimatstadt Sitten. An deren Ende waren wir wieder auf dem Radweg. Wir verabschiedeten uns freundlich und bedankten uns.

Windschatten war heut nicht nötig. Unser Helfer.

Es sollten von hier noch 30 Kilometer immer am Fluss entlang sein. Super. 13 Kilometer vor dem Ziel war der Radweg wieder zu Ende. Problem in der Schweiz ist für uns, dass mobile Daten schweineteuer sind. Ich machte trotzdem Maps an und wir fanden einen Weg. War ja nicht mehr weit. Hinter Siders kam die Ernüchterung: wir mussten einen Tunnel umfahren, über einen Berg. Logo! Und da haben wir uns dann nochmal verfahren. Wir waren lost. Nach ewiger Sucherei fanden wir den Track. So gut wie geschafft!

2 Kilometer vor dem Camping stand sie dann vor uns. Nach 98 Kilometern harter Arbeit. El Rampo. Nie unter 11, in Spitzen bis 17 % Prozent. Es schossen die Tränen in die Augen. Das Gewitter saß uns im Nacken. Der Puls explodierte. Die Oberschenkel brannten. Und wir waren da. Exakt 100 Kilometer, fast 1300 hm! Wir stellten die Räder unter und fielen vom Rad.

Erstmal gabs zwei alkoholfreie Bier, dann zwei Kaffee und dann nochmal das mit dem Bier. Die Besitzerin war supernett und spricht so etwas wie deutsch, ich liebe diesen Dialekt. Wir haben uns geeinigt, einen Bungalow zu mieten. Für 55 Franken. Dann bleiben wir heut Nacht trocken und können beruhigt schlafen. Auch die instabile Zeltstange machte Sorgen in diesem Zusammenhang. Der Bungalow stellte sich als Wohnwagen mit Vorzelt und „Garage“ heraus. Und das Ding war richtig russisch. Keine Bettwäsche vorhanden, alles super alt und ein bisschen keimig. Wir müssen heut Nacht auf den Isomatten und im Schlafsack schlafen. Anders bekommen wir Ausschlag.

Geiles Ding, oder?

Beim Blog schreiben, immer auf dem Handy.

Wir wollten nur schnell vor dem Gewitter ankommen. Deshalb waren wir nicht einkaufen. Einkauf würde bedeuten, die Mörderrampe wieder herunter zu fahren und, was viel schlimmer wäre, wieder hoch. Essen gehen ist aber einfach mal unerfreulich teuer. Die Idee war, dass wir den Weg nach unten laufen und probieren, ob uns jemand mitnimmt. Leider kamen nicht sehr viele Autos von oben und der erste machte deutlich, dass er uns nicht mitnimmt. Ich nahm auch nicht den Daumen, sondern versuchte, die Autos anzuhalten. Die zweite meinte, sie müsse hier gleich rechts abbiegen und nach ihren Pferdchen schauen. Nach kurzem Überlegen fuhr sie uns zum Supermarkt. Wieder eine nette Helferin. Nach dem Supermarkt das gleiche Spiel. Und schon der dritte Wagen hielt und die beiden Jungs fuhren uns wieder hoch. So muss das sein. Wir sind eben oft auf Hilfe angewiesen.

Dass der Einkauf schweineteuer war, ist nur eine Randnotiz. Ich werde dazu nichts mehr schreiben. Jeder weiß das.

Zum Essen gab es wieder Curry mit Hühnchen. Wie immer war es superlecker. Dazu jeder zwei Büchsen Bierchen, alkoholfrei.

Morgen schauen wir mal, wie schlimm der Regen wird. Wir sind im Moment einfach nur durch und glücklich, dass wir angekommen sind.