Wie sollte man eine ideale Etappe in den Bergen beschreiben? Sonne, aber nicht zu heiß. Schöne, gleichmäßige Anstiege, aber nie über 8 %. Herrliche Landschaften, zwischendurch was nettes zum Pausieren. Heute waren wir ziemlich nah dran. Perfekt ist ja eigentlich auch nicht erreichbar.

Wir hatten uns heute einiges vorgenommen. 80 km und zur Abwechslung mal 3 Cols. Deshalb früh raus, ordentlich frühstücken und Feuer frei. Leider gingen die Snooze-Orgien schief und wir erwachten völlig zerstört nach komischen Träumen und viel zu langen 10 Stunden Schlaf. Es war der kälteste Morgen bisher und alles war richtig schön durchnässt, auch ohne weiteren Regen in der Nacht. Jetzt waren wir irgendwie auch noch in so einem Hetzmodus gelandet. Zu allem Überfluss hatte Lars gestern vergessen, das Müsli für Andreas nachzukaufen. Kurzerhand wurden die letzten Reserven unserer Müsliriegel zusammengeklaubt und fertig ist das Frühstück. Lars blieb beim altbewährten Mittel: Vollkornbrötchen und eine ganze Packung Serrano. Das trägt bis zum Mittag.

Los ging es erst um 9:45 Uhr, 18 km mehr oder weniger bergab. Mal was anderes als gleich loszutreten wie die Verrückten. Es ging dann bei Chaum auf den ersten Berg, den Col des Ares. Ein richtiger Rollerberg. Erst traute man der Sache nicht so richtig. Schöne 6 %, mal eine kleine 8 zwischendurch. Aber nie steiler. Nachdem der Col unser Vertrauen gewonnen hatte, ging es ordentlich zur Sache. Gefühlt flogen wir den Berg nach oben und waren bereits kurz vor 11 Uhr am Zwischenziel. Die Abfahrt war richtig schön. Das Tal grün, überall kleine Bäche, nette Dörfer und es roch nach frisch gemähtem Gras. Es ging dann wieder 2 km nach oben und wir waren beide überrascht, dass wir anscheinend einen weiteren Col erreichten, den Col de Buret auf 599 m Höhe.

Problematisch war an dieser Stelle, dass unser Wasser langsam zur Neige und Lars‘ Laune allmählich in den Keller ging, weil er immer noch keinen Kaffee getrunken hatte. Geht ja gar nicht. Aber keine Angst, vor dem schwierigsten und längsten Anstieg des Tages sollte ja gleich noch ein Örtchen kommen. Alles entspannt.

Jeder, der uns kennt, weiß, was jetzt kommt. Natürlich kam nix mehr. Wir mussten mit nur einer Wasserflasche den Anstieg zum Col de Portet-d’Aspet (1069 m) auskommen. Der Pass war ziemlich gemein. Er kam auf den ersten Kilometern mit moderaten Steigungen. Man dachte, wie schön. Rollern wir entspannt hoch. Dann zündete er an einer Brücke die 2. Stufe. 2 km eine Hammerrampe mit bis zu 19 % Steigung. Der Griff schnürte einem so langsam die Kehle ab. Die Pulswerte schossen in die (mittlerweile relative) Höhe. Erst 1 km vor dem Gipfel ließ er wieder etwas locker. Geschafft! Noch kurz vor 13 Uhr und mit 1100 Höhenmetern und bereits 50 km auf dem Tacho gab es das Foto. Wie wir das so schnell geschafft haben, bleibt uns ein Rätsel.

Das eigentliche Problem blieb bestehen. Wo gab es etwas zu trinken? Die Flaschen waren leer. Und jetzt kommt ein weiterer Grund für das Prädikat ‚Perfekt‘. Im ersten Dorf der Abfahrt kehrten wir Chez Jo ein. Ein uriges Berglokal. Dort gönnten wir uns einfach mal jeder das Entrecôte mit Pommes für nen 10er, jeder eine Cola und zum Abschluss einen Espresso und volle Waserflaschen der Marke ‚Rohrperle‘.

Nach dem Essen führte uns die D618 auf 35 Kilometer Länge hinab nach Saint Girons. Drei oder vier Gegenanstiege drückten wir weg und in einem Affenzahn erreichten wir das Städtchen. Kurzer Einkauf und ab auf den Campingplatz – für alles was eigentlich immer kommt. Heute wieder mal mit Poolspaß, es waren mittlerweile 34 Grad.

Wir kamen hier mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 20 km/h an. Nochmal: 1200 Höhenmeter und 80 Kilometer, plus jeder 25 Kilo Gepäck. Ungläubige Blicke, als Andreas das beim Faszienrollen und Stretchen verkündete. Eben eine perfekte Etappe! So wird es nie wieder bis Berlin. Oder vielleicht doch?