Heute war es soweit. Der Ventoux, der windige Berg. Der Gigant der Provence (nicht von mir). Und was das beste ist, es passierte ohne die Koffer hinten drauf.

Heut morgen war ich fast hektisch, vor Aufregung. 7:30 klingelte der Wecker und riss mich, zum ersten Mal seit längerem, aus dem Tiefschlaf. Die Nacht war kühl, der Schlafsack geschlossen. Heute musste das Zelt nicht abgebaut werden. Darum ging es nach allen Vorbereitungen in die Stadt Malaucène hinunter und ich schob mir was süßes und was salziges beim Bäcker rein. Noch eben einen Espresso und es konnte los gehen.

Kurz über der Waldgrenze ist er endlich zu sehen!

Ich nahm direkt die D974 Richtung Gipfel und wollte nach kurzer Zeit rechts wegbiegen nach Bedoin, um von dort die Südauffahrt zu nehmen. Nach 6 km und durchschnittlich 8 % Steigung hielt ich eben an, um zu schauen, wann denn der Abzweig endlich kommt. Ich hatte ihn vor 2 km verpasst. Jetzt war es auch egal. Rammel ich eben hier hoch. Die Geschichte der Auffahrt ist schnell erzählt. Ohne Gepäck konnte ich von meiner aktuellen Form profitieren. Laut Strava trat ich im Durchschnitt 200 Watt bis zum Gipfel. Das kann sich sehen lassen, auch mit den dazugehörigen Herfrequenzwerten. Ich bin zudem muskulär absolut trocken und habe auch schon schwere Anstiege in den Beinen und im Kopf. Topform. Ich fliege gefühlt nach oben. Auch Abschnitte über 3 km mit 12 % Steigung trete ich weg. Einige Rennradfahrer lasse ich stehen, andere ziehen an mir vorbei. 2 km vor dem Gipfel öffnet sich die zuvor bewaldete Landschaft und gibt den offenen Kalkstein preis. Es hatte schon was Surreales. Der Gipfelturm war jetzt auch zu sehen. Seit circa 3 km verfolgte mich ein Rennradfahrer. Mal kam er näher, mal vergrößerte sich der Abstand. Ich fuhr einfach meinen 155er Puls. Etwa 600 m vor dem Gipfel setzte er an, mit unüberhörbarem Keuchen. Als er auf meiner Höhe war, machte ich den Winokurow, nur ohne EPO. Ich schaltete zwei Gänge hoch, verzog keine Miene und zog weg. Bis zum Gipfel brachte ich 200 m zwischen uns.

Immer mal wieder öffnete sich ein Fenster.

Wie schnell man soweit hoch kommt ist oft unfassbar.

Nach dem obligatorischen Gipfelfoto und einer Cola nahm ich relativ schnell die Abfahrt in Angriff. Oben zog es und es waren nur 13 Grad. Die Abfahrt war sehr gut zu fahren. Leider machte meine Vorderradbremse komische Geräusche und ich hatte Sorge, ob sie die Abfahrt überlebt. Über 21 km ging es nach unten bis Bédoin. Erst durch die viel beschriebene Mondlandschaft oberhalb der Baumgrenze, die hier übrigens menschengemacht ist.

Auf der Abfahrt das Tom Simpson Memorial. Er fuhr sich hier am 13.7.1967 bei der Tour vor Erschöpfung bis in den Tod. Völlig voll mit Amphetaminen.

Im Rückblick nach oben: eine Art Mondlandschaft.

Von Bédoin waren es in einem mehr Auf als Ab noch 12 km bis zum Ausgangspunkt. Zwischendurch stand noch ein Col. Col de la Madeleine. Hat aber nix mit dem in den Hochalpen zu tun. In Frankreich gibt es wohl noch mindestens 10 davon, wie ich gelesen habe.

Den habe ich kaum noch gemerkt.

Zurück in Malaucène ging ich gleich meine Finishersocken kaufen und von hier direkt zum Fietsenmaker. Dieser erklärte mir, dass meine Bremsbeläge vorne komplett abgefahren seien. Aber er kümmerte sich umgehend darum und brauchte nur eine Stunde, in der ich einen Eisbecher und eine Orangina genoss. Gestern habe ich mal das Schlafzimmer geputzt und die Taschen sauber gemacht. Da fiel mir auf, dass ich einen Ersatzschlauch zu Hause vergessen habe. Gut, dass bisher nichts passiert ist. Den Schlauch habe ich mir also auch noch zugelegt. Und eine hoffentlich brauchbare Sitzcreme. Mal schauen! Bei Abholung fragte mich der Mechaniker, wo ich schon überall lang bin. Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen und machte deutlich, dass mein Vorderrad wohl seit dem Start locker war und nicht richtig angezogen wurde. Glück gehabt, würde ich mal sagen. Und zwar nicht zu wenig. Ich dachte eben an die vielen Abfahrten.

Danach ging es zurück. Ein bisschen die Hosen und Handschuhe waschen und ganz viel Pool. Abends esse etwas im Restaurant, ich bin zu faul zum Kochen. Der Schlendrian hält Einzug. Die nächsten 3 Etappen werden sehr höhenmeterlastig. Mal schauen, ob ich das mit den Koffern hinten drauf noch kann.